Wer frisch verliebt in einer neuen Partnerschaft ist, möchte sein Glück teilen und die neue Partnerin oder den neuen Partner seinen Kindern vorstellen. Doch wann ist der Zeitpunkt richtig? Und was muss beim ersten Treffen beachtet werden?
Von Célia Steinlin-Danielsson und Jean-Luc Guyer
«Meine Töchter hatten gewünscht, meine neue Partnerin kennenzulernen. Sie hatten sich auf das Treffen gefreut, und wir hatten es gemeinsam vorbereitet. Bereits die Begrüssung verlief herzlich und ungezwungen. Meine Partnerin hatte mit ihrer Kleiderwahl genau den Geschmack meiner älteren Tochter getroffen. Und mit der Jüngeren unterhielt sie sich bald über deren neuesten Lieblingsroman. Wir hängten spontan an das Mittagessen noch einen Stadtbummel an, und alle vier bedauerten, dass der Abend bereits anderweitig verplant war.»
Wie einfach es doch wäre, wenn die erste Begegnung mit der neuen Partnerin oder dem neuen Partner immer so harmonisch verlaufen könnte. Leider sieht die Realität oft weniger rosig aus. Denn ob die neue Partnerin oder der neue Partner den Kindern sympathisch ist und sich von Anfang an eine gute Beziehung entwickelt, hängt von vielen Faktoren ab. Das erste Treffen ist jedoch wichtig und will gut gewählt und durchdacht sein. Es gibt dafür keinen Königsweg, aber einige Aspekte, die berücksichtigt werden sollten.
Zuerst sollte man sich die Frage stellen, wie sicher man sich in der neuen Beziehung fühlt. Kann ich mir vorstellen, längere Zeit mit dieser Person zusammenzubleiben? Habe ich überhaupt Lust auf eine ernste und dauerhafte Beziehung? Wenn diese Fragen ein mulmiges Gefühl zurücklassen, sollte mit einem Treffen lieber noch ein wenig zugewartet werden. So kann man der frischen Beziehung die Chance geben, sich etwas zu festigen. Gleichzeitig kann man den Kindern ersparen, dass eine neu aufgebaute Freundschaft bereits nach kurzer Zeit wieder abgebrochen wird.
Wie gut die Kinder mit der Trennungssituation ihrer Eltern zurechtkommen, ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Liegt die Trennung erst kurze Zeit zurück und sind die Kinder noch voller Trauer und Enttäuschung oder Wut, empfiehlt es sich, behutsam vorzugehen und sich langsam an das Thema heranzutasten. Auch wenn der andere Elternteil noch sehr verletzt oder wütend ist, können Kinder in einen Loyalitätskonflikt geraten, wenn eine neue Bezugsperson in die Familie einritt. Wenn möglich, sollte der andere Elternteil vor dem ersten Treffen informiert werden. So fühlt er oder sie sich nicht hintergangen und kann allfällige negative Gefühle und Unsicherheiten der Kinder besser auffangen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Alter der Kinder. Kleinere Kinder können leicht überfordert sein, nicht verstehen, warum plötzlich eine neue Person in das Leben ihrer Mutter oder ihres Vaters tritt und was das für ihre Beziehung zum anderen Elternteil bedeutet. Es ist wichtig, diese Ängste und Unsicherheiten ernst zu nehmen und den Kindern immer wieder zu zeigen, dass sich nichts an der Liebe für sie und der Beziehung beider Eltern zu ihren Kindern verändert. Bei Jugendlichen kann die Entscheidung, wann ein neuer Partner vorgestellt wird, gemeinsam getroffen werden.
Für ein erstes Treffen empfiehlt es sich in jeden Fall, langsam vorzugehen. Zunächst sollte man sich langsam herantasten, immer wieder von der neuen Person erzählen, den Kindern vielleicht Fotos zeigen und ihre Reaktion bei allem genau beobachten. Man muss Kindern Zeit lassen, offen sein für Fragen und auch akzeptieren, wenn die Kinder kein Interesse zeigen oder das Thema ablehnen. Dann ist es einfach noch nicht der richtige Zeitpunkt. Erst wenn die Kinder dazu bereit sind, sollte ein erstes Treffen geplant werden.
Wo und wann das Treffen stattfinden soll, hängt vom Alter der Kinder ab, von den Vorlieben aller Beteiligten und von der Jahreszeit. Ein neutraler Ort ist in jedem Fall unverfänglicher als zuhause, wo der neue Partner oder die neue Partnerin als Eindringling erlebt werden könnte. Der zeitliche Rahmen sollte flexibel sein. Also lieber einen kurzen Spaziergang planen mit der Möglichkeit, gemeinsam noch einen Kaffee zu trinken, auf einer Wiese Fussball zu spielen oder einen Abstecher zum Spielplatz zu machen, als gleich ein Abendessen mit drei Gängen oder einen einwöchigen Skiurlaub.
Wer diese Aspekte beachtet, ist für den ersten Kontakt gut gewappnet und die Beziehung kann sich, wie in unserem Eingangsbeispiel, weiter entwickeln: «Meine Töchter schrieben mir im Anschluss an das Treffen eine SMS und bedankten sich für den schönen Tag. Meine Partnerin schlug vor, die Mädchen am nächsten Wochenende zu einem Ausflug in die Berge einzuladen. Ich war sehr erleichtert.
Trotz dieses idealen Einstiegs brauchte es aber Zeit bis eine vertrauensvolle Beziehung entstand. Meine Töchter hatten sich in den Jahren seit der Scheidung daran gewöhnt, ihren Vater am Wochenende ganz für sich zu haben und empfanden meine Partnerin manchmal als Konkurrenz. Auch meine Partnerin musste sich in ihrer neuen Rolle als Teilzeit-Stiefmutter zurechtfinden, und für mich war es eine Herausforderung, alle Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen. Die Geduld hat sich aber gelohnt!»
Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit dem IAP Institut für Angewandte Psychologie . Das IAP unterstützt und begleitet Familien sowie Kinder und Jugendliche mit psychologischer Beratung.